„Tränen können trösten"

Der bayerische Ministerpräsident Dr. Markus Söder betonte den hohen kulturellen Wert der Wieskirche (Foto: Kath. Wallfahrtskuratiestiftung St. Josef - Wies)

Als die Bäuerin Maria Lory 1738 bei der Andachtsfigur des gegeißelten Heilands bemerkt habe, dass diese plötzlich echte Tränen weine, so habe sich diese Nachricht „wie ein Lauffeuer über die ganze Region verbreitet, da trifft es die Menschen ins Herz: Der Heiland kennt unser Elend, er leidet mit uns mit, so sehr, dass gar die Statuen weinen!“ Dieses „Elend“, die Erfahrung von Leid und Schmerz, sei eine Grundkonstante im menschlichen Dasein, betonte der Bischof. Über die Jahrhunderte seien dabei die Ursachen dieses Leides oft gleich: Natur- und Umweltkatastrophen, Krankheit und Krieg: „Es scheint: Krise wird chronisch.“
In Christus hingegen habe Gott der Menschheit sein menschliches, leidendes und mitleidendes Gesicht gezeigt – fortgeführt und eindrücklich verbildlicht im Bildnis des Gegeißelten, das seit Jahrhunderten die Wieskirche schmückt und zu Fragen führe wie „Hat das mit mir zu tun? Gehöre ich zu jenen, die gewollt oder ungewollt Leid verursachen oder bleibe ich gleichgültig, tatenlos und abgestumpft gegenüber dem Leid, dessen Zeuge ich werde?“
Tatsächlich bilde das stellvertretende Leiden Jesu, der sich für die Menschheit am Kreuz geopfert und uns dadurch erlöst habe, einen Auftrag für die Christenheit. „Tränen über fremdes Leid sind ein Ausdruck von Mitgefühl und ein Zeichen von Zugehörigkeit - da, wo alle Worte zu wenig und zu viel zugleich sind.“ Doch seien mitleidende Tränen mehr noch als bloßes Zeichen des Mitgefühls, betonte der Bischof: „Ich stelle heute eine steile These auf, aber ich wage sie doch: Tränen können trösten!“
Vor diesem Hintergrund sei es geradezu als Fügung zu bewerten, dass heuer am Tränenfest nicht nur 40 Jahre UNESCO-Weltkulturerbe zu feiern seien, sondern auch 40 Jahre der Neubelebung der Bruderschaft zum Gegeißelten Heiland auf der Wies: „Möge die Gemeinschaft aus derzeit 333 Frauen und Männern auch in Zukunft ihrem Auftrag, ‚die Liebe Gottes in die Welt auszustrahlen und dadurch mitzuhelfen, die große Not unserer Zeit zu lindern‘, gerecht werden und damit uns allen Weggefährtenschaft zum Ziel unseres Lebens schenken. Noch einmal: Tränen können trösten. Amen.“
Die Wieskirche geht auf die Wallfahrt zurück, die sich nach dem nie offiziell als Wunder anerkannten Tränenereignis 1738 zum Gnadenbild des Gegeißelten Heilands hin entwickelte. Der Rokokobau, der bis zur Coronapandemie von rund einer Million Menschen jährlich besucht wurde, entstand 1745 bis 1754 und gehörte ursprünglich dem Prämonstratenserkloster Steingaden. Mit der Säkularisation ging das Gotteshaus in den Besitz des Königreichs bzw. Freistaats Bayern über, in dem es heute noch verbleibt.
Das vierzigjährige Jubiläum der Ernennung zum Weltkulturerbe dieses „Stücks Paradies auf bayerischem Boden“ wurde das ganze Wochenende über begangen; zunächst mit einem Bürgerfest auf dem Dorfplatz des Ortsteils Wies und nach dem Pontifikalamt mit einem Festakt, an dem auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder teilnahm. Am Ende der Feier stand ein Konzert von Mitgliedern der Münchner Philharmoniker mit dem „Chor im Pfaffenwinkel“.

Predigt von Bischof Bertram anlässlich des Tränenfests 2023 (230,4 kB)

(Text Bistum Augsburg)

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