Geschichtlicher Überblick
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Norbert von Xanten hatte in dem unwegsamen Tal Premontè in der Nähe von Laon an Weihnachten 1120 den namentlich abgeleiteten PRAEMONSTRATENSER-Orden gegründet. Von dort breitete sich in kürzester Zeit der Orden über ganz Europa aus. An Weihnachten 1146, am 27. Dezember, Gedenktag Johannes des Evangelisten, verkündete Herzog Welf VI. eine Klostergründung 'in loco, qui dicitur Staingadenem' - an dem Ort, welcher Steingaden genannt wird. Am 17. April 1147 wurde diese Stiftung beurkundet und das Kloster dem Prämonstratenser-Orden übergeben. Im Lauf der Jahrhunderte wurde aus den überschaubaren Anfängen eine beachtliche Abtei, die segensreich für das ganze Umland wirkte - getreu dem Auftrag des Ordensgründers, die Botschaft Jesu Christi zu den Menschen zu tragen.
Im Jahr 1730 entschloss sich der Steingadener Abt Hyazinth Gassner (1729 -1745) , die im Prämonstratenser-Orden vielerorts übliche Karfreitagsprozession auch in Steingaden einzuführen. Dafür wünschte er zur Darstellung des geheimnisvollen Leidens des Erlösers eine Bildnis der Geißelung Christi. Aus Teilen alter Figuren fertigten daher Pater Magnus Straub und Frater Lucas Schwaiger eine einfache, künstlerisch wertlose Figur des gegeißelten Jesus. Weil die einzelnen Teile auch in ihren Proportionen nicht zusammenpassten, wurde der ganze Leib mit Leinwand überzogen, hin und wieder, besonders an den Gliedmaßen mit Werk und Tüchern ausgefüllt, das Haupt mit gemachten Haaren bedeckt und letztlich mit Ölfarben gefasst.
Drei Jahre, von 1732 bis 1734 fand diese Figur in der Karwoche Platz im überdachten Garten des Klosters und wurde bei der Karfreitagsprozession herumgetragen. Wegen ihres geringen Ansehens wurde sie dann aber 1735 in der Kleiderkammer des Klostertheaters und später auf dem Dachboden des Klostergasthofes abgestellt. Trotz des weiterhin üblen Aussehens erbat sich schließlich anno 1738 die verwandte Wißbäuerin Maria Lori die Figur.
Am 4.Mai 1738 brachte die Familie Lory "die Bildnus" des gegeißelten Heilandes von der Klosterwirtschaft in Steingaden hinauf in die Einöde "auf der Wiß" - eine Lichtung inmitten eines Hochmoor- und Waldgebietes. Hier bewirtschaftete die Familie einen kleinen Bauernhof, der ein sehr bescheidenes Auskommen ermöglichte. Die Figur wurde in der Schlafkammer aufgestellt und diente als Andachtsbild für das tägliche Gebet.
Sechs Wochen später - am 14. Juni entdeckte Maria Lory beim Abendgebet im Gesicht des Gegeißelten Tropfen welche sie für Tränen hielt. Nachdem sich das Ereignis am Morgen des nächsten Tages wiederholte berichtete sie davon noch am selben Tag, einem Sonntag, zuerst ihrem Beichtvater und dann dem Abt.
Der Abt verordnete den Eheleuten Stillschweigen bis sich erwiesen hätte, dass es sich tatsächlich um ein Wunder handele. Doch die Kunde von dem "Tränenwunder" verbreitete sich schnell und innerhalb kürzesterZeit entwickelte sich eine Wallfahrtsbewegung "zur Wiß". Schon 2 Jahre später zählte man 1500 - 2000 Pilger, die sich durch das unwegsame Gebiet zum Gegeißelten begaben.
Im Jahr 1740 war die Zahl der Pilger bereits so groß, dass das Kloster Steingaden beschloss, eine kleine Kapelle in der Nähe des Loryschen Anwesens für die Figur des gegeißelten Heilandes errichten zu lassen. Bereits drei Jahre später ist der Zustrom aber derart gewachsen, dass Abt Hyazinth Gassner an den Stadtbaumeister von Landsberg, Dominikus Zimmermann, den Auftrag zum Entwurf einer "Wallfahrtskirche zum gegeißelten Heiland auf der Wies" erteilt.
1745 wurde mit der Option, die Kirche nur in der Größe des Chorraumes zu errichten falls der Pilgerstrom wieder abbrechen würde, der Bau begonnen. Im Jahr 1749 wurde also der Chorraum fertig gestellt und der gegeißelte Heiland übertragen. Weil sich die ursprüngliche Sorge bzgl. eines Rückganges des Pilgerzustroms als unbegründet erwies, wurde der Bau fortgesetzt und im Jahr 1754 das Kirchenschiff vollendet. Am 1.September erfolgte durch den Augsburger Weihbischof Adelmann die Weihe der Kirche.
1756 wurden die beiden Seitenaltäre errichtet zu Ehren des Hl. Petrus und der Hl. Magdalena.
Ersterer wird 1758, letzterer 1759 mit Farbe gefaßt und vergoldet vom Steingadener Maler Thaddäüs Rhamis. 1757 erhält die Wieskirche eine große Orgel aus der Werkstatt des Dirlewanger Orgelbauers Hörterich.
Von diesem Gnadenbild muss schon eine aussergewöhnliche Kraft ausgegangen sein, damit in dieser schlecht zugänglichen Einöde, umgeben von Sümpfen und Mooren ein so prächtiges und herrliches Gotteshaus auf Drängen des gläubigen Volkes hin vom Kloster Steingaden geplant und auch wirklich gebaut wurde. Das 'Necrologium Steingadenense' zeigt, wie die Wallfahrer auf dornigen Wegen zur Wieskirche pilgern und wie sie auf Blumenpfaden beglückt heimkehren. Ein Füllhorn des Segens mit Blüten ergießt sich über der Kirche mit dem Gnadenbild aus Gottes Hand über sie.
In dem Büchlein 'Wahrer Ursprung und Fortgang der Wallfahrt des gegeißelten Heilands auf der Wies' aus dem Jahr 1779 schreibt P. Benno Schröfl, Wallfahrtspriester in der Wies: 'Was soll ich noch mehrer von diesem Gnadenfluß melden, da selber jetzt schon ganz Europa durchströmet, wenn sogar von Petersburg in Rußland, von Gotenburg in Schweden, von Amsterdam in Holland, von Kopenhagen in Dänemark, von Christianenburg (d. i. Oslo) in Norwegen, von Nimes in Frankreich, von Cadiz in Spanien Wallfahrter da gewesen? Was soll ich alle deutschen Provinzen, und andere angrenzende Königreich hersetzen?' (Finkenstaedt, Th. u. H.: Die Wieswallfahrt, Regensburg 1981, S. 150).
Dabei sollte 1809/10 die Wieskirche nur 55 Jahre nach Ihrer Fertigstellung infolge der Säkularisation versteigert und abgerissen werden. Nur durch die jahrzehntelangen hartnäckigen Bemühungen der Gemeinde Fronreiten und ihrer Bauern wurde dies verhindert. 1833 waren alle Innenwände der Wieskirche mit den verschiedensten Votivtafeln so dicht behangen, dass die Kirche einen dunklen Innenraum erhalten hatte. Aus diesem Grund musste Wallfahrtspriester Mühlberger auf Anordnung des Bischofs von Augsburg alle 5.000 bis 6.000 Votivtafeln hinauswerfen und verbrennen lassen. Dieses Verfahren schadete der Wallfahrt weit mehr als alles andere seit der Klosteraufhebung Geschehene. Für lange Jahre verlor das Volk daraufhin die Lust hierher zu wallfahrten und Votivbilder zu stiften.
Doch die Wallfahrt erholte sich wieder und ist lebendig bis zum heutigen Tag. Mitten unter den Besuchern aus aller Welt ist der stille Beter. Auch die traditionsreichen Wallfahrtsbesuche aus der näheren und weiteren Umgebung erfahren in den letzten Jahren eine Belebung, und neue Wallfahrten entstehen, wie z. B. die Jugendwallfahrt der Region Weilheim-Schongau.
Baugeschichte und Architektur
Im Jahr 1743 erteilte der Steingadener Abt Hyazinth Gaßner an Dominikus Zimmermann den Auftrag, er solle einen Entwurf für eine Wallfahrtskirche auf der Wies fertigen. Schon 1740 hatte der Abt mit Zimmermann Pläne zur Umgestaltung der Abteikirche in Steingaden besprochen – und von 1727 – 1732 hatte der Landsberger Stadtbaumeister für die Prämonstratenserabtei Schussenried die Wallfahrtskirche Steinhausen als echten Rokokobau geschaffen. Leider konnte Abt Hyazinth nur noch den Beginn der Bauarbeiten erleben – er starb am 28. März 1745 mit 52 Jahren, sein Nachfolger Abt Marian II. Mayr übernahm aber die Pläne und setzte das Werk um. Im ersten Jahr (1745) wuchs der Bau des Wallfahrtspriesterhauses bereits 40 Fuß in die Höhe mit einem U-förmigen Grundriss, wobei der Prälatenstock im Süden und das Wallfahrtshospitium im Norden einen nach Osten offenen kleinen Ehrenhof bergen.
Die offizielle Grundsteinlegung im Auftrag des baierischen Kurfürsten Max Josef III. erfolgte allerdings erst nachträglich am 10.Juli 1746. Um diese verspätete Legalisierung des Baues zu erreichen hatte Abt Marian Mayr mit eindringlichen Worten den Kurfürsten bestürmt, der dem Ansinnen insgesamt jedoch sehr kritisch gegenüber stand. Deshalb wollte der Regent den Grundstein auch nicht selbst legen, sondern beauftragte Probst Herkulan Kahn aus Diessen mit der Aufgabe.
Der Ostchor mit Turm und Sakristei war in der Bauausführung der nächste Abschnitt und konnte noch im gleichen Jahr unter Dach gebracht werden. In der Innengestaltung ist der Ostchor „der Gipfelpunkt dessen, was an Auflösung der Architektur gestalterisch und technisch möglich war. Bislang konnte man Arkaden nur mittels gewölbter Bogen überspannen. Dominikus Zimmermann verwendete jedoch zwischen den Rundsäulen des Chorumgangs nach unten hängende Bögen, welche konstruktiv nicht mehr als Mauerwerk, sondern nur noch als Holzverbindung möglich waren.“ (Sixtus Lampl, Dominikus Zimmermann – wie ihn kaum jemand kennt, München 1987, S. 400) Überhaupt wurden zuerst nur das Priesterhaus und der Chorraum errichtet; innerhalb von drei Jahren bis 1749 war der Chor „mit all möglicher Verzierung zu vollkommenen Stande gelanget“ und das Gnadenbild konnte am 31.August 1749 feierlich aus der Feldkapelle übertragen werden, nachdem Abt Marian eine Woche vorher den Chor eingesegnet hatte.
Anschließend erst wurde mit dem Bau des Langhauses begonnen, das im Jahr 1754 vollendet werden konnte. „»Weil nun endlich im bemeldeten Jahr 1754 die ganze Kirche schön ausgemahlen und sehr zierlich mit Stuckadorarbeit allenthalben ausgekleidet war, so wurde sie eben dieses Jahr den 1. September oder Herbstmonath, der zugleich Sonntag war, von Titl. Herrn Herrn Adelmann Reichsfreyherrn von Adelmannsfelden, Bischof von Mactaritra, und Weihbischof zu Augspurg etc. unter Zulauf einer unzähligen Menge Volkes feyerlichst eingeweihet.« (Wahrer Ursprung ...) 1756 folgten die beiden Seitenaltäre. 1757 wurde die Orgel aufgestellt. In und mit diesem Jahr signierte D. Zimmermann ein Votivbild zum Dank der Fertigstellung der Kirche.“(Hugo Schnell, Die Wies, München 1979, S. 8).